HARVEST

Im 18. Jahrhundert erreichte die Vertreibung von Bauern von den gemeinwirtschaftlich betriebenen Allmende-Flächen ihren Höhepunkt. Athina Rachel Tsangari verfolgt die dadurch entstehenden Risse in Dorfgemeinschaften.

"Sieben Tage wie ein Fiebertraum: In einem idyllischen, namenlosen Dorf in Schottland bricht eine Zeit tiefer Verunsicherung an. Der Bauer und ehemaliger Städter Walter Thirsk und Master Kent, der örtliche Gutsherr, sind seit Kindertagen befreundet und werden mit der Ankunft unerwarteter Eindringlinge aus der Außenwelt konfrontiert. Der wirtschaftliche Fortschritt beginnt langsam, aber unaufhaltsam die Traditionen des Dorflebens zu zerstören und die Gesellschaft neu zu ordnen – mit unumkehrbaren Folgen.
Das neueste Werk der Filmemacherin Athina Rachel Tsangari ("Chevalier", "Attenberg"). ist ein surreal anmutendes, fesselndes Kinoerlebnis. Sean Price Williams ("Good Time", "The Sweet East") schafft mit körnigem 16-mm-Material eine dichte Atmosphäre, in der Idylle neben Brutalität steht. Getragen von einer eindrucksvollen schauspielerischen Darbietung von Caleb Landry Jones, erzählt Tsangari eine Geschichte über Aberglauben, das Trauma der Moderne und die Bedrohung durch das Unbekannte. Mit seiner meisterhaft komponierten Erzählstruktur und einer Fülle folkloristischer Details ist der Film ein a-zeitliches allegorisches Drama über Xenophobie und unkontrollierten Kapitalismus." MUBI

"Lange Haare und Schnauzbart, die durch ein Kornfeld waten, ein Käfer auf der Fingerkuppe, Nacktbad im See: Erst die lange Robe des Protagonisten Walter Thirsk deutet an, dass es sich hier nicht um einen LSD-Trip an den Rändern des Fusion-Geländes handelt, sondern um einen Bauern im England des 18. Jahrhunderts.
Zurück im Dorf kippt die Naturidylle, Thirsk erlebt das Inferno einer brennenden Scheune und die ersten Spaltungen im dichten Kollektiv der bäuerlichen Gemeinschaft, die im Laufe des Films immer weiter aufreißen werden. Vorangetrieben wird der Verlust bäuerlicher Existenzweisen, den HARVEST erzählt, durch die Gewalt kapitalistischer Landnahme, den sogenannten Enclosures: Seit dem 15. Jahrhundert wurden Farmer*innen von den gemeinschaftlich bewirtschafteten Flächen vertrieben, um sie durch profitable Weideflächen in Privatbesitz zu ersetzen. HARVEST kehrt die Widersprüche nicht kritisch um, zu einem Kampf zwischen Gut und Böse, David und Goliath, sondern verfolgt die durch die kapitalistische Einhegung des Landes erzeugten Risse bis in ihre Verästelungen in der zunehmend fremdenfeindlichen Dorfgemeinschaft und den von Opportunismus geplagten Gewissen ihrer Mitglieder. Trotzdem leistet sich Regisseurin Athina Rachel Tsangari einen klassischen Bösewicht, der dem Film etwas an Komplexität entzieht, aber Unterhaltungswert verleiht. Wenn der pilzköpfige Erzkapitalist Jordan in das Dorf reitet, meint man die Titelmelodie von "Barry Lyndon" zu hören; auch visuell erinnert HARVEST bisweilen an das 70er-Jahre Kino von Stanley Kubrick oder Andrej Tarkovskij. Die Regisseurin erliegt jedoch nie dem Historismus, sondern behandelt ihr komplexes Thema souverän, unterhaltsam und mit perfekt dosierten formalen Experimenten." Yorick Berta, Indiekino

"Mit fluiden Geschlechterrollen, ambivalenten Figuren, bissigem Witz und surrealen Bildern – etwa wenn die Kinder des Dorfes ihre Köpfe an einen Stein schlagen, um ihre Zugehörigkeit zu besiegeln – adaptiert Tsangari den Booker Prize-nominierten Roman von Jim Crace. Sean Price Williams schafft mit körnigem 16-mm-Material und überwiegend natürlichen Lichtquellen eine Atmosphäre, in der Idylle neben Brutalität steht. HARVEST ist ein Film wie ein Gemälde. Ein a-zeitliches allegorisches Drama über Xenophobie und unkontrollierten Kapitalismus." Internationales Frauenfilmfest Dortmund Köln 2025

CREDITS

englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln & deutsche Synchronfassung

Regie: Athina Rachel Tsangari
Großbritannien, Deutschland, Frankreich, USA, Griechenland 2024
133 Min.
• DCP
FSK 16
• Deskriptoren: www.fsk.de

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